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Kohlendioxid (CO2) wird weitverbreitet für die Tötung von Labormäusen verwendet, jedoch ist der Einsatz aus Sicht des Tierschutzes umstritten. Inhalationsanästhetika werden als Alternativen vorgeschlagen, doch sind sie bisher nicht ausreichend untersucht worden. Ziel dieser Arbeit war es, umfassend die Einleitung der Tötung mittels CO2 (100% CO2 mit 20, 60 und 100% des Kammervolumens pro Minute (KV%/min)) sowie Isofluran (2% und 5% Isofluran mit 71 KV%/min) und Sevofluran (4,8% und 8% Sevofluran mit 71 KV%/min) hinsichtlich ihrer Stressbelastung bei NMRI- und C57Bl/6-Mäusen untereinander vergleichend bzw. gegen einen reinen Luftstrom (71 KV%/min) zu untersuchen. Dabei sollten die Wirksamkeit und Zuverlässigkeit der Narkosegasbehandlung, der zeitliche Verlauf der einzelnen Phasen der Narkoseeinleitung, das Verhalten einschließlich Vokalisationen, die Adrenalin- und Noradrenalinkonzentrationen im Plasma, die Glukosekonzentration im Blut sowie die Auswirkungen der Gase auf die Atembewegungen und auf die Gewebe des Atemtraktes beurteilt werden. Der Untersuchungszeitraum war von Beginn der Gasexposition bis zum Erreichen der chirurgischen Toleranz bzw. bis maximal 300 s. Die Tiere wurden durch Dekapitation getötet und Blut- und Gewebeproben gewonnen. Bei beiden Mausstämmen führten nur die CO2-Behandlungen mit 60 und 100 KV%/min und die Behandlung mit 5% Isofluran sowie die Behandlung mit 8% Sevofluran bei NMRI-Mäusen zum Erreichen der chirurgischen Toleranz innerhalb von 300 s bei mindestens 93,8% der Tiere einer Gruppe und galten somit als wirksam und zuverlässig. Die Narkoseeinleitung konnte bei allen Gasen in eine normale Phase, eine Phase der Ataxie, der Muskelrelaxation und der Bewusstlosigkeit bis zum Einsetzten der chirurgischen Toleranz unterteilt werden. Die CO2-Behandlung mit 100 KV%/min erzeugte am schnellsten die chirurgische Toleranz. Die CO2-Behandlung mit 60 KV%/min und die Behandlung mit 5% Isofluran unterschieden sich nicht hinsichtlich der Zeit bis zum Erreichen der chirurgischen Toleranz. Adrenalin- und Noradrenalinkonzentrationen waren bei den wirksamen und zuverlässigen CO2-Behandlungen ca. 10-fach erhöht im Vergleich zu den Isofluran- und Sevofluran-Gruppen. Die Glukosekonzentrationen der C57Bl/6-Mäuse lagen bei den Isofluran- und Sevofluran-Gruppen teilweise höher als bei den mit CO2 behandelten Gruppen, bei den NMRI-Mäusen wurden keine Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt. Es konnte kein eindeutiges stress- oder schmerzanzeigendes Verhalten gefunden werden, alle Änderungen in Bezug auf das normale Verhalten unter Luftstromexposition (Ataxie, hypotoner Gang, Vorwärtsbewegung, Rearings, Putzverhalten, Exzitationen) konnten größtenteils auf die narkotische Wirkung der Gase zurückgeführt werden. Vokalisationen konnten weder im hörbaren noch im Ultraschallbereich festgestellt werden. Die Atembewegungen wurden durch alle Narkosegasbehandlungen beeinflusst. Alle makroskopischen und mikroskopischen Befunde, außer der Atelektase, waren sowohl in allen Behandlungsgruppen wie auch in der Luftkontrollgruppe zu erheben. Sie konnten nicht eindeutig auf die Wirkung der Narkosegase zurückgeführt werden, sondern sind der Dekapitation bzw. agonalem Herz- Kreislaufversagen geschuldet. In Verbindung mit der Literatur ließ sich die Stressreaktion unter CO2-Exposition, die sich in erhöhten Adrenalin- und Noradrenalinkonzentrationen wiederspiegelte, mit den massiven physiologischen Änderungen, wie hyperkapnische Azidose, Dyspnoe, Aversions- und Angstverhalten, die durch die Inhalation von CO2 hervorgerufen wurden, erklären. Augenscheinlich wirkte die Narkoseeinleitung mit CO2 meistens sanft und friedlich auf den Beobachter, jedoch sollten hypotoner Gang, verminderte Vorwärtsbewegung und verminderte Rearings nicht über die tatsächliche (innere) Stressreaktion hinwegtäuschen. Stammesunterschiede müssen bei der Wahl des Narkosegases und der Konzentration beachtet werden. Im Hinblick auf unsere Ergebnisse ist 5% Isofluran mit einer Einfüllrate von 71KV%/min besser bei NMRI- und C57Bl/6-Mäusen zur Narkose- und Tötungseinleitung geeignet als CO2 mit Einfüllraten von 20 und 60 KV%/min. Ausreichende Maßnahmen, die den Arbeitsschutz sicherstellen, müssen dabei gewährleistet sein. Genaue Dosierungen und Darreichungsformen der Inhalationsanästhetika, die tier- und arbeitsschutzkonform sind, werden Gegenstand weiterführender Untersuchungen sein.