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Zielstellung der vorliegenden Arbeit war die Untersuchung des intravenösen Glucosetoleranztests bei Jungbullen als zusätzliches Selektionskriterium in der Zuchtwertschätzung. Es wurde die Reaktion auf einen Glucosestimulus an 541 Bullen der Rasse Deutsche Holstein im Alter von 200 bis 520 Tagen mittels intravenösem Glucosetoleranztest untersucht. Auf Basis der gemessenen Serumglucosespiegel wurden individuelle Glucoseverlaufskurven erstellt. Die Parameter Glucosebasalwert, Glucosemaximum, maximaler Glucoseanstieg, Glucoseflächenäquivalent und Glucosehalbwertszeit erfüllten nach logarithmischer Transformation die Kriterien der Normalverteilung. Zunächst wurden mithilfe des Programms VCE (Groeneveld et al. 2010) die fixen Effekte für jeden Parameter bestimmt. Anschließend wurden mit dem Programm PEST (Groeneveld und Kovac 1990) die Heritabilitätskoeffizienten der Glucosetoleranztest-Parameter, korrigiert um den Herden-Jahres-Saison-Effekt, berechnet. Zudem wurden Korrelationen zwischen den Nachkommenszuchtwerten und den korrigierten Glucosetoleranztest-Parametern berechnet. Die Insulinsensitivität und die Glucoseaufnahmekapazität sowie der basale Glucosespiegel werden in ihrer phänotypischen Merkmalsausprägung durch Umweltfaktoren wie die Haltung und die Rationsgestaltung beeinflusst. Zur Vergleichbarkeit des intravenösen Glucosetoleranztests sind die Festlegung und Einhaltung standardisierter Aufzuchtbedingungen mit standardisierten Rationen nötig. Die Beziehung zwischen den intravenösen Glucosetoleranztest-Parametern und den Nachkommenszuchtwerten für funktionelle Nutzungsdauer und Reproduktion wird durch die starken Umwelteffekte auf beiden Seiten des Algorithmus beeinflusst. Es werden keine signifikanten Beziehungen zwischen den Nachkommenszuchtwerten und den Glucosetoleranztestergebnissen festgestellt. Daher kann anhand der Nachkommenszuchtwerte keine Auskunft über den Anteil der genetisch determinierten Stoffwechselkapazität an Gesundheit und Fruchtbarkeit der Nachkommen erfolgen. Die getesteten Tiere wurden anhand ihrer Glucosehalbwertszeiten in Bullen mit hoher, niedrige r und mittlerer Glucosehalbwertszeit eingeteilt. Die Nachkommenszuchtwerte wurden anschließend zwischen den Glucosehalbwertszeitgruppen verglichen. Auch hier wurden keine signifikanten Beziehungen beobachtet. Die geringsten Heritabilitäten werden für die Parameter Glucosebasalwert (h² = 0,19), Glucosemaximalwert (h² = 0,14) und maximaler Glucoseanstieg über den Glucosebasalwert (h² = 0,12) berechnet. Daher sind diese Parameter als zusätzliche Zuchtwertinformationen ungeeignet. Die Heritabilität der Parameter Glucoseflächenäquivalent (h² = 0,43) und Glucosehalbwertszeit (h² = 0,4) ist deutlich höher. Die ermittelten Heritabilitäten weisen auf einen mittleren genetischen Einfluss auf die Parameter des intravenösen Glucosetoleranztests hin. Die Glucosehalbwertszeit ist der aussagekräftigste Glucosetoleranztest-Parameter über das individuelle Glucosehomöostasevermögen. Im Gegensatz zum etwas höher heritablen Glucoseflächenäquivalent unterliegt die Glucosehalbwertszeit nur geringen methodischen und rechnerischen Einflüssen. Somit ist die Glucosehalbwertszeit zur Charakterisierung der genetisch determinierten Reaktion auf einen Glucosestimulus im Glucosetoleranztest am besten geeignet. Es konnte somit gezeigt werden, dass der Glucosetoleranztest bei Jungbullen als zusätzliches Selektionskriterium aufgrund der genetischen Determination in der Zuchtwertschätzung geeignet ist. Zur Klärung der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Glucosetoleranz und Tiergesundheit bedarf es weiterer Untersuchungen. Durch die Erhebung klinischer Befunde nach einem festgelegten Schlüssel an einer großen Töchterzahl könnte eine Aussage über die Beziehung der Glucoseabbaugeschwindigkeit der Vatertiere zu bei den Nachkommen auftretenden metabolischen Störungen sowie der Reproduktions- und Milchleistung der Töchter gemacht werden.