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Vektorübertragene Krankheiten stellen ein wichtiges Teilgebiet der klinischen Tiermedizin bei Hunden dar. Dabei spielen Zecken als Vektoren verschiedener Infektionserreger eine große Rolle. Ihre Ausbreitung wird unter anderem durch den zunehmenden Reiseverkehr von Tieren, das Ausbleiben langer harter Winter und die Renaturierung landwirtschaftlicher Nutzflächen gefördert. Zudem stellen neu aufkommende Infektionserreger sowie das Vorkommen von Koinfektionen Herausforderungen für die tierärztliche Praxis dar. Um Informationen über die Gefährdung Berliner Hunde durch zeckenübertragene Infektionserreger zu gewinnen, war Zielstellung dieser Dissertation die Ermittlung von Prävalenzen der Erregergruppen Babesia spp., Rickettsia spp., Anaplasmataceae und Borrelia spp. in von Hunden abgesammelten Zecken, verbunden mit der Erfassung des Scutal Index (SI) als Maß für die Dauer der Blutmahlzeit einer jeden Zecke. Die untersuchten Zecken stammen aus einer Umfrage- und Sammelstudie, durchgeführt im Zeitraum März 2010 bis April 2011 an der Klinik für kleine Haustiere der Freien Universität Berlin (Beck, 2012). Studienteilnehmer mit ihren Hunden aus Berlin und Umgebung wurden im Lauf der Vorgängerstudie akquiriert und reichten Zecken der Spezies I. ricinus, I. hexagonus und D. reticulatus ein. Der SI von 1694 Zecken wurde ermittelt, der Erregernachweis fand bei 1255 Zecken mittels PCR und Sequenzierung oder High Resolution Melting Curve Analysis (HRM) statt. Über 40 % der untersuchten weiblichen I. ricinus (n=480) und über 60 % (n=647) der untersuchten weiblichen D. reticulatus wurden aufgrund der SI-Ergebnisse erst nach ca. zweitägiger Blutmahlzeit gefunden und entfernt. Weibliche Zecken wiesen einen signifikant höheren SI und eine höhere Infektionsrate auf als männliche Zecken (p<0,001). Weiterhin ließ sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Felllänge der Hunde und SI für die Spezies D. reticulatus erkennen (p<0,05). Für die anderen Spezies war dieser Zusammenhang nicht statistisch signifikant. Es bestand außerdem eine positive Korrelation zwischen dem SI und der Wahrscheinlichkeit enthaltener Infektionserreger in Zecken (p<2,2#10-7). Die Prävalenzen für Babesia spp. lagen bei 2,5 % (KI: 0,92-5,45 %) für I. ricinus und 3 % (KI: 0,77-7,95 %) für I. hexagonus, darunter die Spezies B. microti, B. venatorum und B. capreoli. Rickettsia spp. wurden mit einer Prävalenz von 61 % (KI: 54,2- 67,5 %) in I. ricinus und 39 % (KI: 33,7-45,2 %) in D. reticulatus sowie 44 % (KI: 36,6-52,4 %) in I. hexagonus nachgewiesen. Die zur Genospeziesdifferenzierung untersuchten Proben ergaben den Nachweis von R. helvetica, R. raoulti und R. monacensis. Die Untersuchung auf Erreger der Gruppe der Anaplasmataceae ergab eine Prävalenz von 6,5 % (KI: 4,9-8,4 %) und 3,9 % (KI: 1,6-8,0 %) A. phagocytophilum in I. ricinus bzw. I. hexagonus. Candidatus Neoehrlichia mikurensis wurde in 4,3 % (KI: 3,0-5,9 %) der I. ricinus sowie in 5,9 % (KI: 2,9- 10,6 %) der I. hexagonus nachgewiesen. Die ermittelten Prävalenzen für Borrelia spp. Lagen in I. ricinus bei 11,6 % (KI: 9,5-14,0 %) und in I. hexagonus bei 11,2 % (KI: 6,9-17,0 %). Die Genospezies waren hierbei B.afzelii, B. garinii, B. burgdorferi sensu stricto und B. miyamotoi. Eine Koinfektionsrate von 20 % (KI: 14,5-26,5 %) in I. ricinus und 15 % (KI: 9,0-23,0 %) in I. hexagonus sowie eine Gesamtinfektionsrate von 65 % (KI: 57,9-72,2 %) in I. ricinus, 59 % (KI: 39,2-68,3 %) in I. hexagonus und 64 % (KI: 55,4-71,2 %) in D. reticulatus wurde ermittelt. Die im Laufe der Studie erhobenen Prävalenzen im Zusammenhang mit der berechneten Dauer der Blutmahlzeit der untersuchten Zecken geben deutliche Hinweise darauf, dass Berliner Hunde einem nicht zu unterschätzenden Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Prophylaxemaßnahmen werden offenbar nur unzureichend durchgeführt und müssen demnach verbessert werden. Das breite Wirtsspektrum von I. ricinus und I. hexagonus verleiht den Ergebnissen zudem eine humanmedizinische Relevanz. Neuartige Erreger wie Candidatus Neoehrlichia mikurensis und B. miyamotoi konnten nachgewiesen werden und belegen die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Monitorings von Zeckenpopulationen bezüglich enthaltener Infektionserreger. Dazu wurde durch die im Zuge der Studie etablierte Methode der HRM ein hilfreiches diagnostisches Mittel geschaffen.