zum Inhalt springen

Fachbereich Veterinärmedizin


Service-Navigation

    Publikationsdatenbank

    Die Tötungsfrage in der Tierschutzethik (1998)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Luy, Jörg
    Quelle
    Berlin, 1998 — 170 Seiten
    Verweise
    URL (Volltext): http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000000081
    Kontakt
    Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Versuchstierkunde

    Königsweg 67
    14163 Berlin
    +49 30 838 61146
    tierschutz@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Vor circa zwanzig Jahren wird die Frage, ob der Mensch Tiere töten darf, durch den Australier Peter Singer neu formuliert. Seines Erachtens ist es für ein klares Verständnis dieser Frage notwendig, sie in zwei − aus philosophischer Sicht unabhängige − Problemfelder aufzuteilen: das Problem der Leidenszufügung und das Problem der Lebensbeendung (= Tötungsfrage). Singers Neuformulierung dieses alten Problems hat sich allgemein durchgesetzt. Aus diesem Grund wird die Tötungsfrage seit circa zwanzig Jahren in der Tierschutzethik diskutiert, während die weitergehende Frage, ob der Mensch Tiere töten darf, bereits seit Jahrtausenden umstritten ist. Die Tötungsfrage ist die abstrakte Frage, ob die Lebensbeendung bei Tieren − die Problematik der oft damit verbundenen Beeinträchtigung des Wohlbefindens außer acht lassend − moralisch zulässig ist. Die Tötungsfrage betrifft also alle Tiertötungen. Möchte man sich jedoch einen konkreten Fall vorstellen, dessen moralische Bewertung ausschließlich von der Tötungsfrage abhängt, dann denke man an eine Tiertötung, die zwar das Bewußtsein beendet, jedoch bei keinem direkt oder indirekt beteiligten Wesen das Wohlbefinden beeinträchtigt solange dieses eben dauert. Wegen Problemen bei der tierschutzrechtlichen Beurteilung der Tiertötung hat der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland die ethische Klärung der Tötungsfrage gefordert. Dazu möchte diese Arbeit einen Beitrag leisten. Sie schafft einen Überblick über die verschiedenen philosophischen Bewertungen, die in den letzten zwanzig Jahren zur Tötungsfrage formuliert worden sind, und ergänzend auch über historische Argumentationen zur Tiertötung, soweit diese für eine tierschutzrechtliche Umsetzung geeignet erscheinen. Alle Argumentationen werden Schritt für Schritt analysiert, auf ihre (axiomatischen) Postulate zurückgeführt und, um einen direkten Vergleich zu ermöglichen, in einheitlicher Weise zusammengefaßt. Schlußfolgerungsfehler werden, soweit vorhanden, bereits in der Argumentationsanalyse bezeichnet. Es stellt sich heraus, daß die zugrundegelegten Postulate je einer Argumentation den zugrundegelegten Postulaten anderer Argumentationen widersprechen. Weil Postulate letztlich unbeweisbar sind, verlagert sich so die Problematik der Tötungsfrage auf die Auswahl geeigneter Postulate. Die von den verschiedenen Philosophen vorgeschlagenen Postulate werden jeweils vergleichend diskutiert und hinsichtlich ihrer Eignung für die Tötungsfrage bewertet. Im Kern geht es dabei um folgende Fragen: Was ist schlecht, schlimm, böse? − Ist es sinnvoll, zu behaupten bestimmte Dinge seien objektiv wertvoll bzw. gut, unabhängig davon, ob und in welchem Maße sie einem Subjekt wertvoll bzw. wünschenswert erscheinen? − Wie lassen sich moralische Urteile und durch sie motivierte Handlungen erklären? Paradoxerweise erweisen sich mehrere historische − jedoch keine der modernen − Argumentationen hinsichtlich der damals noch nicht expressis verbis formulierten Tötungsfrage als plausibel: Hermarchos, Spinoza, Kant, Schopenhauer, von Hartmann. Diese Argumentationen haben jedoch alle den Nachteil, die − seinerzeit noch nicht ausdrücklich gestellte − Tötungsfrage nur beiläufig, und deswegen nicht völlig befriedigend, zu beantworten. Außerdem gilt der Status, den diese Philosophen (bis einschließlich Kant) Tieren generell in der Moral zuweisen, heutzutage als veraltet und inakzeptabel. − Die Argumentationen, die seit der Formulierung der Tötungsfrage entwickelt wurden, fußen allesamt auf unplausiblen Postulaten. Der Verfasser bemüht sich daher um eine eigene, zeitgemäße, der Tötungsfrage angemessene Argumentation. Dieser Vorschlag versucht alle plausiblen Ideen, die zu dieser Frage geäußert wurden, zu berücksichtigen. Neu an diesem Vorschlag ist vor allem, daß er die seit Jahrtausenden bestehende Unsicherheit der Moralphilosophie in dieser Frage darauf zurückführt, daß das dem Menschen zur Verfügung stehende moralische Bewertungsverfahren nicht auf die Tötungsfrage anwendbar ist. Die angst− und schmerzlose Tiertötung (ohne Einbeziehung Dritter), als konkretes Beispiel für das abstrakte Problem der Tötungsfrage, ist aus diesem Grund weder wünschenswert noch unmoralisch sondern unerwarteterweise ohne moralischen Status. Infolgedessen sollte sie eigentlich weder gefördert noch verboten werden. Es scheint indirekt jedoch trotzdem geboten zu sein, die Legalität der Tiertötung vom Vorhandensein eines "vernünftigen Grundes" abhängig zu machen.