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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Einfluss von diagnostischen Biopsieentnahmen auf das Metastasierungsverhalten von Tumoren bei Tieren (2012)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Sperling, Christian (WE 12)
    Quelle
    Berlin: Mensch & Buch Verlag, 2012 — 151 Seiten
    ISBN: 978-3-86387-108-6
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/3377
    Kontakt
    Institut für Tierpathologie

    Robert-von-Ostertag-Str. 15
    Gebäude 12
    14163 Berlin
    +49 30 838 62450

    Abstract / Zusammenfassung

    Zur Prüfung der Hypothese, wonach die diagnostische Biopsieentnahme in der Tiermedizin das Metastasierungsverhalten von Tumoren beeinflussen kann, wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt, da experimentelle Daten kaum vorliegen. Dazu wurde die gesamte zugängliche tiermedizinische, tierexperimentelle und humanmedizinische Literatur ab 1966 ausgewertet. Die identifizierten Arbeiten wurden dabei nach den selbstdefinierten Kriterien Tumorart, Biopsieentnahmeart und Art der Beeinflussung der Metastasierung nach Biopsieentnahme ausgewertet und übersichtlich zusammengefasst.
    In der tiermedizinischen Literatur konnten nur zwei Publikationen zum Thema einer Biopsieentnahme- induzierten Beeinflussung des Metastasierungsverhaltens von Tumoren identifiziert werden. Diese beschreiben den Nachweis von Stichkanal-Metastasen nach Feinnadelaspirations- Biopsieentnahme (FNA) von Tumoren des Urogenitaltraktes von fünf Hunden und einem Lungenkarzinom einer Katze. Weitere Hinweise auf eine gesteigerte Lymphknoten- oder Fernmetastasierung konnten nicht gefunden werden. Somit scheinen insbesondere Übergangsepithelkarzinome des Urogenitaltraktes mit einem sehr geringen Risiko einer lokalen Metastasierung nach FNA verbunden zu sein. Der im Vergleich zur Humanmedizin deutlich geringere Umfang an Publikationen könnte zum einen ein Hinweis auf das allgemein sehr geringe Risiko von Biopsieentnahme-induzierter Beeinflussung der Metastasierung bei Tieren sein. Zum anderen sind jedoch aufgrund der Informationen aus tierexperimentellen Studien und aus der Humanmedizin Einflüsse der Biopsieentnahme auf nicht untersuchte Tumor- oder Tierarten sowie auf die Lymphknoten- und Fernmetastasierung denkbar.
    In 18 tierexperimentellen Studien in Mäuse-, Ratten-, Kaninchen- und Hamstermodellen wurde an verschiedenen Tumorarten die Auswirkung unterschiedlicher Biopsieentnahmearten auf die Tumorzellverbreitung und Metastasierung untersucht. Studien zum Tumorzellnachweis im Blut oder den Lymphgefäßen nach Biopsieentnahme zeigten unklare Befunde mit zum Teil leicht erhöhten, zum Teil verminderten Nachweis von Tumorzellen. In der lokalen Umgebung der Biopsieentnahmestelle konnten jedoch in den meisten Fällen verschleppte Tumorzellen bzw. Stichkanalmetastasen nachgewiesen werden. Tumore des Urogenitaltraktes wurden nicht untersucht. Eine abschließende Aussage über eine Biopsieentnahmeinduzierte Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer Metastasierung in entfernte Körperregionen ist aufgrund der relativ geringen Anzahl von vergleichbaren Publikationen nicht möglich. Die Ergebnisse unterschieden sich teilweise stark in Abhängigkeit von der Tumor- und Biopsieentnahmeart sowie dem Beobachtungszeitraum. Dennoch weisen die Ergebnisse stark darauf hin, dass durch die Biopsieentnahme eine lokale sowie, zumindest geringgradig, eine systemische Tumorausbreitung gefördert wird.
    Der Großteil (n=288) der identifizierten Publikationen stammte aus der Humanmedizin. In 11 Publikationen konnte für verschiedene Tumorarten größtenteils eine Biopsieentnahme-bedingte Tumorzellfreisetzung in die Blutgefäße beobachtet werden. Eine dadurch erhöhte Fernmetastasierung war jedoch nicht nachweisbar. Umfangreiche Studien (n=52) mit mehr als 390.000 bioptierten Tumoren wurden zur Beeinflussung der lokalen Metastasierung im Stichkanal nach Nadelbiopsieentnahme durchgeführt. Die Inzidenz lag bei den mehr als 25 untersuchten Tumorarten zumeist bei deutlich unter einem Prozent, wobei die Biopsieentnahme von Lebermetastasen von Kolonkarzinomen, Pleuramesotheliomen und Mammakarzinomen ein besonders erhöhtes Risiko aufwies, Ovarialkarzinome zeigten hingegen keine Beeinflussung.
    Deutlich weniger Veröffentlichungen (n=11) beschäftigten sich mit dem Einfluss verschiedener Biopsieentnahmearten auf die Lymphknoten- und Fernmetastasierung. Ähnlich wie für die tierexperimentellen Studien lagen für einzelne Tumorarten jedoch kaum miteinander vergleichbare Studien vor. Weiterhin wurden keine Kontrollgruppen ohne Biopsieentnahme untersucht, sodass das natürliche Metastasierungspotenzial der untersuchten Tumore nicht bestimmt werden konnte. Lymphknoten-Metastasen konnten bei insgesamt nur zwei untersuchten Tumorarten (Mammakarzinome, maligne kutane Melanome) mit einer allgemein etwas geringeren Wahrscheinlichkeit als in entsprechenden tierexperimentellen Studien nachgewiesen werden. Auch hier ist eine abschließende Beurteilung des Risikos aufgrund teilweise entgegengesetzter Beobachtungen der geringen Anzahl von Studien schwer möglich. Keine der angewendeten Biopsieentnahmearten war unabhängig von der Tumorart mit einem deutlich erhöhten Risiko der Beeinflussung der Lymphknoten-Metastasierung verbunden. Hinweise auf eine unterschiedliche Beeinflussung der Fernmetastasierung durch die verschiedenen Biopsieentnahmearten konnten ebenfalls nicht beobachtet werden. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus den tierexperimentellen Studien ist eine geringe Beeinflussung der Fernmetastasierung denkbar, jedoch lassen sich letztlich auch aufgrund der humanmedizinischen Studien keine abschließenden Aussagen über ein besonderes Risiko durch eine bestimmte Biopsieentnahmeart treffen.
    Inwieweit die Erkenntnisse der tierexperimentellen und humanmedizinischen Studien auf die tiermedizinische Praxis übertragbar sind, konnte aufgrund der möglichen speziesspezifischen Unterschiede nicht abschließend beurteilt werden. Die Beobachtungen deuten jedoch darauf hin, dass zumindest das lokale Ausbreitungsrisiko von Tumoren im Stichkanal durch eine diagnostische Biopsieentnahme sowohl bei Tier als auch Mensch erhöht werden kann und daher beim klinischen Vorgehen berücksichtigt werden sollte. Der Nutzen der Biopsieentnahme übersteigt jedoch in den meisten Situationen das insgesamt als sehr gering einzuschätzende Risiko einer Biopsieentnahme-induzierten Tumormetastasierung. Das Risiko einer dadurch induzierten systemischen Fernmetastasierung ist als praktisch nicht existent anzusehen. Eine quantitativ-statistische Angabe der Wahrscheinlichkeiten des Auftretens beider Metastasierungsarten erscheint anhand aller verfügbaren Daten nicht seriös möglich.