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Das Krankheitsbild der Albuminurie ist polygenetisch determiniert und geht mit renalen Endorganschäden und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko beim Menschen einher. Des Weiteren ist die Albuminurie als möglicher Prädiktor von arteriosklerotischen Herz-Kreislauf- Erkrankungen in nicht-diabetischen Individuen bekannt und kann eine generalisierte vaskuläre endotheliale Schädigung reflektieren. Die primäre Hypertonie wiederum erhöht das Risiko, chronische Nierenerkrankungen zu entwickeln. Eine adaptive Reaktion auf erhöhten Blutdruck ist die vermehrte Stickstoffmonoxid (NO) Produktion, die präventiv gegen Endorganschäden vorbeugt. Ein Defizit oder Verlust von NO führt wiederum zu Bluthochdruck und Nierenschäden.
Die MWF-Ratte stellt ein genetisches Inzuchtmodell dar, das neben einem angeborenen Nephrondefizit von 30-50%, eine spontane Albuminurie, eine moderate Hypertonie und eine endotheliale Dysfunktion entwickelt. In vorangehenden Studien wurden wichtige Albuminurie- QTL (Quantitative Trait Loci) auf Rattenchromosom (RNO)6 und RNO8 identifiziert. Durch den Transfer von RNO6 und RNO8 aus dem nierengesunden SHR-Stamm in den isogenetischen MWF-Hintergrund konnte die Albuminurie jeweils deutlich gesenkt und die strukturellen Nierenschäden reduziert sowie das Nephrondefizit eliminiert werden.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war zu ermitteln, ob mittels eines reziproken Ansatzes QTL auf RNO6 und RNO8 in der Lage sind einen Albuminurie-Phänotyp im isolierten, albuminurieresistenten Hintergrund der SHR-Ratten zu induzieren. Um die Suszeptibilität von Nierenschäden zu untersuchen, wurde zwischen der 6. und 24. Woche (Studie A) eine Gruppe der Parentaltiere MWF und SHR und der konsomen Stämme SHR-6MWF und SHR-8MWF mit normalem Wasser (Kontrolle), eine zweite Gruppe mit 20 mg/l NG-nitro-Larginine methyl ester (L-NAME) behandelt und eine dritte Gruppe wurde unilateral nephrektomiert (Nx). Aufgrund einer hohen Letalität bei parentalen SHR und konsomen SHR-6MWF unter L-NAME-Behandlung vor Erreichen der 24. Woche, wurde die Studie von der 6. - 12. Woche wiederholt (Studie B).
In der bis zur 24. Woche geführten Studie A zeigte sich, dass SHR und SHR-6MWF eine ausgeprägte L-NAME Sensitivität mit Todesfolge entwickelten, während MWF und SHR-8MWF die Behandlung mit dem NO-Inhibitor ohne Ausfälle tolerierten. Im Verlauf der Studie A demonstrierten SHR- und SHR-6MWF-Tiere unter L-NAME Behandlung ein stark beeinträchtigtes Allgemeinbefinden das mit torti collis, Manegebewegung und hoher Mortalität zwischen der 12. und 15. Woche einherging. Der Parentalstamm MWF wie auch der konsome Stamm SHR-8MWF zeigten hingegen keine Beeinträchtigung und tolerierten die L-NAME-Behandlung bis zum Studienende in der 24. Woche. MWF entwickelte bis zur 24. Woche in der Kontrollgruppe einen signifikanten progressiven Anstieg der Albuminurie gegenüber den albuminresistenten SHR und den konsomen Stämmen SHR-6MWF und SHR-8MWF. Der konsome Stamm SHR-8MWF zeigte unter Kontrollbedingungen spontan einen signifikanten Anstieg der Albuminurie im Vergleich zu SHR. Die Stämme MWF und SHR-8MWF entwickelten signifikant erhöhte Albuminurie-Werte in der L-NAME Gruppe verglichen mit der Kontrolle in der 24. Woche.
In der 12. Woche der Studie B konnten mit Studie A vergleichbare Ergebnisse der Albuminbestimmung generiert werden. SHR und SHR-8MWF zeigten in Studie B erneut nur eine milde Erhöhung der Albuminurie gegenüber der Kontrollgruppe, während SHR-6MWF und MWF eine signifikant höhere Albuminausscheidung gegenüber der Kontrolle demonstrierten. Durch den Transfer von RNO6 erhöhte sich nicht nur die Albuminausscheidung unter L-NAME im Vergleich zur Kontrolle für SHR-6MWF und SHR, es entwickelte sich zudem eine hohe Variabilität der Einzelwerte im konsomen Stamm SHR-6MWF. Durch den Transfer von RNO8 dagegen erreichte die Kontrollgruppe von SHR-8MWF signifikant höhere Albuminwerte verglichen mit SHR. Desweiteren zeigten die konsomen Stämme SHR-6MWF und SHR-8MWF signifikant mehr tubulointerstitielle Schädigungen unter L-NAME gegenüber der Kontrolle, während SHR und MWF nur milde tubulointerstitielle Schädigungen unter L-NAME Behandlung im Vergleich zur Kontrollgruppe entwickelten. Der systolische Blutdruck war bei SHR, SHR-6MWF und SHR-8MWF signifikant in der 12. Woche unter L-NAME-Behandlung verglichen mit der Kontrolle erhöht. Im MWFStamm konnte kein signifikanter Unterschied der Blutdruckwerte zwischen Kontroll- und L-NAME Gruppe ermittelt werden, jedoch zeigte dieser Stamm in beiden Gruppen signifikant niedrigere Blutdrücke gegenüber den übrigen drei Stämmen.
Für SHR-6MWF konnte in der Kontroll- und Nx-Gruppe keine Albuminurie ermittelt werden. In der 18. und 24. Woche wurden dagegen unter Nx signifikant niedrigere Albuminwerte im Vergleich zu SHR bestimmt. Kontrastierend zeigte SHR-8MWF unter Kontroll- wie auch unter Nx-Bedingungen eine spontane Albuminurieentwicklung, die signifikant höher gegenüber SHR war, während der Blutdruck in der Nx-Gruppe jedoch deutlich niedrigere Werte erreichte. Bei der histologischen Beurteilung der Niere wiesen SHR-8MWF- und MWF-Tiere in der Kontrollgruppe eine signifikant erhöhte Glomerulosklerose im Vergleich zu SHR auf, während unter Nx nur MWF signifikant höhere Werte gegenüber SHR demonstrierte.
Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse, dass MWF-RNO6 im isolierten SHR Hintergrund nicht in der Lage ist eine Albuminurie unter basalen Bedingungen bzw. unter 50%iger Reduktion der Glomeruli zu induzieren. Nach chronischer NO-Blockade wiesen SHR-Tiere trotz erhöhtem Blutdruck keine Albuminurie auf. Im Gegensatz dazu konnte beim konsomen Stamm SHR-6MWF durch NO-Blockade ein Albuminurie-Phänotyp mit erhöhten Blutdruckwerten ermittelt werden. Diese Ergebnisse lassen neben dem konfirmierten QTL für Albuminurie auf RNO6 einen möglichen zweiten QTL vermuten, der durch die chronische NO-Blockade induziert wurde und unabhängig agiert. Im Gegensatz dazu tolerierten SHR-8MWF und MWF die L-NAME-Behandlung während des gesamten Untersuchungszeitraums. In der vorliegende Arbeit konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass der isolierte Einfluss des QTL auf RNO8 eine spontane Albuminurie und Nierenschäden in einem nierengesunden Hintergrund wie dem des SHR-Stamms unter basaler als auch 50%iger Nephronreduktion induzieren konnte. Eine NO-Inhibition nahm hingegen keinen Einfluss auf den Phänotyp.
Die Ergebnisse belegen, dass unter NO-Inhibition ein oder mehrere Gene auf RNO6 zur Entwicklung der Albuminurie führen. RNO8 dagegen agiert völlig unabhängig von genetischen Faktoren des MWF-Hintergrunds und ist in die Entwicklung der Albuminurie und struktureller Nierenschäden im isolierten SHR-Hintergrund involviert.
In weiterführenden Studien soll die Pathophysiologie der Albuminurie und der Nierenschäden im MWF-Stamm weiter geklärt werden.