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Aufgrund der vielfältigen Funktionen von Glukose im Organismus ist die Aufrechterhaltung des Blutglukosespiegels für alle höheren Lebewesen von überragender Bedeutung. Insulin nimmt dabei eine zentrale Stellung in den Regelkreisen ein und spielt eine bedeutende Rolle bei der Metabolitenverteilung. Aufgrund von Besonderheiten im Glukosestoffwechsel weisen adulte Rinder geringe Insulinspiegel auf, sodass bei hochleistenden Milchkühen eine Diskrepanz zwischen Milchleistung auf der einen und Fruchtbarkeit und Gesundheit auf der anderen Seite entsteht. Mit Hilfe von Stoffwechseltests wie dem Glukosetoleranztest kann das Zusammenspiel von genetischer Determination und Adaption an die Umwelt simuliert werden. In der vorliegenden Arbeit wurden die Insulinparameter des Glukosetoleranztests von Jungrindern ausgewertet. Dabei wurden Fütterungs- und Umwelteinflüsse spezifisch moduliert, sowie der Einfluss der Körperkondition und des Lebensalter überprüft. Ziel sollte die weitere Standardisierung des Glukosetoleranztests sein. Dieser könnte in der Zuchtwertschätzung Anwendung finden, um dem Zuchtziel einer langen Nutzungsdauer Ausdruck zu verleihen. Die untersuchten Blutserumproben stammen von 18 Jungrindern, die im Alter zwischen durchschnittlich 9,2 und 14,8 Monaten wöchentlich einem Glukosetoleranztest unterzogen wurden. Die Versuchstiere setzten sich aus sechs Bullen, sechs Ochsen und sechs Färsen mit vorwiegend HF-Genetik zusammen. Die gefütterte Ration war phasenweise wechselnd energiereich und energiearm. In einzelnen Tests wurde der Einfluss von Proteinzulage, akustischem Stress und Stress durch Futterneid untersucht. Mit jedem Versuchstier wurden 23 Glukosetoleranztests durchgeführt. Insgesamt kamen 434 Glukosetoleranztests zur Auswertung. Bei jeder Versuchsdurchführung wurden Lebendmasse und Rückenfettdicke ermittelt. Die Lebendmassenzunahme der Bullen ist erwartungsgemäß höher als bei den Färsen. Die Färsen zeigen die stärkere Zunahme der Rückenfettdicke. Die Ochsen verhalten sich geschlechtsneutral, mit einer Lebendmasse ähnlich der Färsen und einer Rückenfettdicke ähnlich der Bullen. Die Parameter Insulinbasalkonzentration und Insulinkonzentration 63 Minuten nach der Glukoseinfusion sind nicht signifikant reproduzierbar. Die Parameter der Auslenkung der Seruminsulinverlaufskurve unterliegen individuellen Schwankungen. Zur Standardisierung und Beschränkung der Probenentnahme können die Insulinbasalkonzentration und die Zeitpunkte 14 und 28 Minuten nach Glukoseinfusion empfohlen werden. Das Geschlecht hat Einfluss auf die Insulinreaktion im Glukosetoleranztest, wobei Ochsen die stärkste und Bullen die schwächste Insulinausschüttung nach einer Glukoseinfusion zeigen. Neben den bekannten, die Insulinreaktion fördernden Eigenschaften des Östrogens kann eine supprimierende Eigenschaft des Testosterons angenommen werden. An den Energiegehalt der Futterration adaptiert sich das Glukose- Insulin-System gleichgerichtet, d.h., mit mangelnder energetischer Versorgungslage sinken die Insulinspiegel ab. Bei kurzfristigen Umstellungen ist dieser Effekt deutlich. Bei langfristig gleichbleibender Versorgungslage passt sich das Glukose-Insulin-System auch den Veränderungen der Körperkondition an. Bei Bullen und Färsen steigt mit der Lebendmasse die Leistungsfähigkeit des Glukose-Insulin-Systems an. Im untersuchten Altersabschnitt finden jedoch Überlagerungen mit proteinanabolen Effekten der Bullen und Fettzellproliferationen der Färsen statt. Durch kurzfristige Zulage von Futterprotein konnten in dieser Arbeit keine Effekte auf die Insulinspiegel gefunden werden. Durch andauernden Stress werden die Insulinspiegel und die Insulinantwort verstärkt. Kurzzeitiger Stress hat keinen Einfluss, da Rinder zu einer schnellen Rekonvaleszenz auf Stressoren neigen. Bezogen auf das Lebensalter der untersuchten Tiere sind die Ergebnisse des GTT als stabil zu bezeichnen. Die Testdurchführung bei ausbilanzierter Fütterung und standardisierter artgerechter Haltung kann im zehnten bis fünfzehnten Lebensmonat empfohlen werden. Die schlechte Reproduzierbarkeit der Insulinparameter spiegelt die Funktion des Insulins als komplex verschaltetes Signal (Effektor) im Regelkreis der Glukosehomöostase wider.